Anaphite will die Batterieproduktion für E-Fahrzeuge revolutionieren – mit einer patentierten Dry-Coating-Technologie. Das britische Deep-Tech-Startup senkt nicht nur Kosten und Energieverbrauch, sondern bringt skalierbare Innovation in eine Branche im Umbruch. Wir haben mit Alex Hewitt, COO & Mitgründer von Anaphite, gesprochen.
Was war der Auslöser für die Gründung von Anaphite? Welche Vision hat euch als Gründerteam zusammengebracht?
Sam Burrow, unser CTO und Mitgründer, und ich haben uns 2016 im Innovation Centre der Universität Bristol kennengelernt. Ich war sofort fasziniert von der Graphen-Technologie, an der Sam gearbeitet hat. Nachdem ich einige seiner Komposite analysiert hatte, war mir klar: Da steckt Potenzial drin.
Wir haben oft abends bei mir zu Hause gebrainstormt – inklusive roter Marker-Flecken auf meinen weißen Küchenschränken, die nie wieder rausgingen. Die Kaution war futsch! Anfang 2018 hat meine Mutter 3.000 £ in uns investiert – damit haben wir unser erstes Patent angemeldet und konnten im Sommer die erste Finanzierung sichern. Im Juli 2018 haben wir das Studium geschmissen und sind mit Vollgas in Anaphite gestartet – mit dem Ziel, Sams Technologie so zu nutzen, dass sie echten gesellschaftlichen Impact hat.
Was machst du als COO genau und wie ergänzt ihr euch als Team?
Ich kümmere mich bei Anaphite als COO um Fundraising, Investor Relations und die strategische Umsetzung im Unternehmen. Ich habe viele unserer Kunden auf Konferenzen und Events gewonnen. Sam wiederum ist der Techie – er holt aus den Kundengesprächen die entscheidenden technischen Insights raus.
Sam entdeckt neue Möglichkeiten – zum Beispiel Dry Coating – und ich sorge dafür, dass wir den Fokus halten. Unser CEO Joe Stevenson bringt mit seiner Erfahrung als Ex-Commercial Director bei Johnson Matthey die nötige Business-Perspektive rein. Während Sam gern alles offen hält und ich zur klaren Linie tendiere, sorgt Joe für das Gleichgewicht und bringt alle an einen Tisch.
Wie funktioniert eure Dry-Coating-Technologie genau?
Unsere Technologie ermöglicht es, Elektroden nicht mehr nass mit Slurry zu beschichten, sondern trocken – also mit einem film-bildenden Pulver, das wir Dry Coating Precursor (DCP®) nennen. Klassische Verfahren setzen auf Slurry mit teils toxischen Lösungsmitteln und energieintensiven Trockenöfen.
Wir produzieren DCP® mithilfe neuer Compositing-Techniken, maßgeschneidert für die Anforderungen unserer Kunden. Damit können diese auf die riesigen Trockenöfen verzichten – und direkt leistungsfähige, trocken beschichtete Elektroden im industriellen Maßstab fertigen. Das spart bis zu 30 % Energie, senkt die Produktionskosten um bis zu 40 % und reduziert die Flächenanforderung um bis zu 15 %.
Wer sind eure Partner – und wie verändert ihr deren Prozesse?
Wir arbeiten aktuell mit Autoherstellern und Tier-1-Zulieferern zusammen, die zusammen über 40 % der weltweit verkauften Fahrzeuge verantworten. Die Nachfrage nach Dry-Coating-Lösungen ist groß: Tesla hat 2019 Maxwell Technologies übernommen, VW will bis 2027 mit PowerCo Dry Coating industrialisieren und LGES peilt 2028 an.
Mit Dry Coating für Anode und Cathode lassen sich bis zu 2 % der Gesamtkosten pro Fahrzeug einsparen. Klingt wenig – aber in der Automobilproduktion ist das ein riesiger Hebel. Unsere Kunden validieren derzeit unsere Technologie – und sehen in ihr einen realistischen Weg zu günstigeren, emissionsärmeren und regelkonformen Batteriezellen.
Was waren eure größten Herausforderungen – und wie habt ihr sie gemeistert?
Für mich persönlich war es schwierig, mit meinen eigenen Ansprüchen umzugehen. Zu akzeptieren, dass das eigene „Bestes geben“ reicht, war eine große Erkenntnis.
Business-seitig war die Series-A-Finanzierung extrem aufwendig: über 100 Pitches, monatelange Due Diligence, viele Gespräche. Es hat lange gedauert, weil unsere Technologie erklärungsbedürftig ist. Entscheidend war, Investoren zu finden, die unsere langfristige Vision teilen. Joe und Sam waren dabei Gold wert – Joe durch seine Erfahrung, Sam durch seine technische Tiefe.
Was bedeutet Innovation bei euch im Alltag?
Für mich heißt Innovation: kreative Freiheit. Unsere Organisation besteht aus drei Teams: Chemistry, Cells & Electrodes und Scale-up Engineering.
Die Chemie-Teams entwickeln neue Materialien, die Zellteams prüfen deren Performance und die Scale-up-Teams bringen die Formulierungen vom Labormaßstab (100 g) auf Industriemaßstab (10+ kg). Bis Ende des Jahres wollen wir die Tonne knacken. Der ständige Austausch und das Testen in kurzen Zyklen treiben unsere tägliche Innovation an.
Wie reagiert die Industrie auf eure Lösung?
Sehr positiv – denn wir lösen ein echtes Problem. Es gibt bereits konkrete Nachfrage nach Dry Coating. Gerade westliche OEMs suchen nach Wegen, Batterien günstiger zu produzieren. Die EU-Batterieverordnung macht zusätzlich Druck: Der CO₂-Fußabdruck der Produktion muss offengelegt werden – und unsere Technologie reduziert genau diesen erheblich.
Was war ein entscheidender Wendepunkt für euch?
Zwei Dinge: Zum einen Joe als CEO zu holen – ein echter Glücksgriff. Zum anderen der Entschluss, uns voll auf Dry Coating zu fokussieren. Sam brachte die Idee ein, ich habe für den Fokus gekämpft. Das hat uns vom Material-Start-up zur Schlüsseltechnologie für die Energiewende gemacht.
Wie bereitet ihr euch auf den Rollout im großen Stil vor?
Nach unserer Series A über 10,4 Mio. £ im August 2024 zeigen wir aktuell in eigenen und Kunden-Tests die Leistungsfähigkeit unserer Lösung. Wir skalieren die Produktion an unserem Standort in Bristol und testen alle Prozesse.
Unser Modell ist flexibel: Wir liefern entweder das fertige DCP® oder lizensieren unsere Technologie für die kundeneigene Produktion. Erste großflächige Einsätze sind ab 2028 geplant – in Europa, Asien und Nordamerika.
Welche Trends findest du besonders spannend – und wie wollt ihr dort eine führende Rolle einnehmen?
Das Wegfallen des „Green Premium“ durch technologische Durchbrüche ist für mich das Spannendste. Bei Batterien heißt das: hohe Energiedichte bei niedrigeren Kosten. Genau das macht unsere Dry-Coating-Technologie möglich – und macht E-Autos konkurrenzfähig zum Verbrenner.
Drei Learnings für andere Deep-Tech- oder Climate-Tech-Gründer?
- Fundraising dauert länger als gedacht. Fang früh an, baue Beziehungen auf – vor allem zu Investoren, die eure Technologie verstehen.
- Kennt eure Grenzen. Holt euch erfahrene Leute ins Boot. Joe war für uns ein Gamechanger – er hat unser Team auf ein neues Level gebracht.
- Fokus ist alles. Anfangs darf man viele Ideen verfolgen – aber irgendwann muss man sich entscheiden. Unsere größten Fortschritte kamen, als wir uns voll auf Dry Coating konzentriert haben. Wer echten Impact will, muss ein Problem wirklich lösen – nicht viele nur ein bisschen.
Vielen Dank Alex Hewitt für das Intreview
Foto/Quelle: Alex Hewitt, COO & Co-Founder of Anaphite