Fredrika Klarén, Leiterin Nachhaltigkeit bei Polestar im Gespräch über Ziele und Innovationen
Polestar hat sich mit ambitionierten Vorhaben wie dem Polestar 0 Projekt als Wegbereiter für nachhaltige Mobilität etabliert und strebt eine vollständige Klimaneutralität bis 2040 an Wir sprechen heute mit Fredrika darüber, wie das Unternehmen diese Vision Realität werden lässt und welche konkreten Schritte sowie Herausforderungen damit verbunden sind.
Fredrika, Polestar hat sich mit ehrgeizigen Zielen wie dem Polestar 0 Projekt als Vorreiter im Bereich nachhaltige Mobilität etabliert. Könnten Sie uns zunächst einen Überblick über die Nachhaltigkeitsvision von Polestar und die Grundprinzipien Ihrer Arbeit geben?
Polestar strebt bis 2040 ein vollständig klimaneutrales Unternehmen an. Das Polestar 0 Projekt bildet dabei den Kern: Ziel ist es, bis 2040 ein wirklich klimaneutrales Auto zu entwickeln, ohne auf CO2-Kompensationen angewiesen zu sein. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie konzentriert sich auf die Eliminierung von Emissionen, radikale Transparenz und die Integration von Nachhaltigkeit in Design und Innovation – ohne Kompromisse bei einem dieser Elemente einzugehen.
Das Polestar 0 Projekt zielt darauf ab, bis 2040 ein wirklich klimaneutrales Auto zu entwickeln. Welche wichtigen Meilensteine wurden bisher erreicht, und was sind die größten technischen und systemischen Herausforderungen, vor denen Sie noch stehen?
Wir haben die Treibhausgasemissionen pro verkauftem Fahrzeug seit 2020 bereits um 25 Prozent reduziert. Drei Jahre Forschung haben gezeigt, dass bei einem Auto wie dem Polestar 2 rund 10 weitere Tonnen CO₂ eingespart werden können, vor allem durch Innovationen bei Stahl und Aluminium. Die Suche nach klimaneutralen Lösungen für Elektronik, Kunststoffe und Chemikalien bleibt eine große Herausforderung. Nach 2030 ist der Weg zu weiteren Emissionssenkungen noch ungewiss. Deshalb investieren wir weiterhin stark in Forschung und Partnerschaften.

Polestar setzt auf Transparenz und veröffentlicht Ökobilanzen sowie Emissionsdaten. Wie hat sich dies auf das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Erwartungen der Branche ausgewirkt – und was waren die größten Herausforderungen und Vorteile bei der Umsetzung dieses Ansatzes?
Transparenz hat uns geholfen, das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen und eine fundiertere und kritischere Fahrzeugwahl zu fördern. Die Veröffentlichung von Ökobilanzen und Emissionsdaten ermöglicht es Käuferinnen und Käufern, Fragen zu stellen und bessere Ansprüche an die Branche zu stellen. Die größte Herausforderung besteht darin, genaue und nachvollziehbare Daten über komplexe Lieferketten hinweg zu sammeln – der Lohn dafür ist echte Rechenschaftspflicht und eine stärkere Bindung zu unserer Community.
Die Lieferkette der Automobilindustrie ist bekanntermaßen komplex. Welche konkreten Strategien verfolgt Polestar, um ethische Arbeitspraktiken und Umweltverantwortung zu fördern – und welche wertvollen Erkenntnisse wurden dabei gewonnen?
Wir identifizieren und überwachen Risikomaterialien in unserer Lieferkette und legen größten Wert auf Sorgfalt. Transparenz ist von grundlegender Bedeutung – erreicht durch Lieferketten-Mapping, Zertifizierungen und Rückverfolgbarkeitstools. Für Hochrisikomaterialien wie Kobalt, Lithium, Nickel und Glimmer nutzen wir Blockchain-Technologie, um die Beschaffung zu verifizieren und sicherzustellen, dass ethische und ökologische Standards eingehalten werden.

Sie haben mit Unternehmen wie Bcomp, SSAB und Norsk Hydro zusammengearbeitet, um Innovationen im Bereich nachhaltiger Materialien zu entwickeln. Wie tragen solche Kooperationen zur Mission von Polestar bei und wie stellen Sie sicher, dass diese Innovationen den Leistungs- und Sicherheitsstandards entsprechen?
Kooperationen sind für unsere Nachhaltigkeitsbemühungen unerlässlich. Die Zusammenarbeit mit Materiallieferanten und Forschungseinrichtungen hilft uns, gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln, die Emissionen reduzieren und gleichzeitig hohe Sicherheits- und Leistungsstandards erfüllen. Diese Partnerschaften ermöglichen es uns, neue Materialien und Technologien zu erforschen, insbesondere in Bereichen wie Metallen, Verbundwerkstoffen und Innenraumgestaltung, die entscheidend zur Reduzierung der Klimaauswirkungen eines Fahrzeugs beitragen. Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch unsere Partner und hoffentlich bald die gesamte Industrie weit über das Thema Auto hinaus.
Polestar erforscht Blockchain, um die Rückverfolgbarkeit von Materialien zu verbessern. Können Sie uns mitteilen, wie diese Technologie eingesetzt wird – und vielleicht ein konkretes Beispiel für ihre Anwendung und Vorteile nennen?
Wir nutzen Blockchain, um Batteriematerialien wie Kobalt, Lithium, Nickel und Glimmer zurückzuverfolgen. Sie liefert überprüfbare Daten zur Beschaffung und ermöglicht es uns, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Praktiken in der Lieferkette nicht unseren Standards entsprechen. Diese Transparenz sorgt für Verantwortlichkeit und unterstützt eine ethische Beschaffung in maßgeblicher Weise.

Polestar ist bekannt für elegantes Design und Leistung. Wie bringen Sie diese markenprägenden Eigenschaften mit Nachhaltigkeitsanforderungen in Einklang – insbesondere, wenn sie gelegentlich im Widerspruch zueinanderstehen?
Wir bei Polestar glauben, dass sich Design und Nachhaltigkeit ergänzen. Wir streben danach, beides kompromisslos zu integrieren. Ein Beispiel dafür ist unser Tailored Knit Interior. Sie sind optisch ansprechend, leistungsorientiert und werden aus recycelten Materialien mit minimalem Abfall hergestellt. Dieses Material wurde in Zusammenarbeit mit einer schwedischen Textil Hochschule entwickelt und zeigt, wie sich Design, Innovation und Nachhaltigkeit gegenseitig verstärken können.
Welche Rolle spielen Batterierecycling und die Wiederverwendung in Ihrem Nachhaltigkeitsplan? Wie baut Polestar ein Kreislaufsystem für Elektrofahrzeugkomponenten auf?
Die Kreislaufwirtschaft von Batterien ist entscheidend. Gemeinsam mit Volvo haben wir Batteriezentren eingerichtet, um Möglichkeiten zur Reparatur, Wiederaufbereitung und zum Recycling von Batterien zu erforschen. Wir entwickeln außerdem Fahrzeuge, die das Recycling erleichtern. Unser Ziel ist es, die Wiederverwendung von Materialien zu maximieren und uns auf die Zukunft vorzubereiten, wenn große Mengen gebrauchter Elektrofahrzeugbatterien zur Verarbeitung zurückkehren. Aber wichtig ist auch zu bedenken, die Lebenszeit einer Batterie im Auto selbst übertrifft schon heute die 200.000km Marke.

Wie steht Polestar aktuell zu E-Fuels im Kontext nachhaltiger Mobilität – und sehen Sie darin eine Rolle in Ihrer langfristigen Strategie?
Bei Polestar setzen wir voll und ganz auf die Elektrifizierung als effektivsten Weg zu klimaneutraler Mobilität. Obwohl E-Fuels auch von anderen Branchenteilnehmern erforscht werden, sind sie nicht Teil unserer Kernstrategie. Unser Fokus liegt auf der Vermeidung von Emissionen an der Quelle, anstatt sie zu kompensieren. Dennoch prüfen wir alternative emissionsarme Lösungen in Bereichen, in denen Elektrifizierung noch nicht umsetzbar ist. Beispielsweise setzen wir in unserer Seefracht bereits erneuerbare Biokraftstoffe ein. Dies ist ein praktischer Schritt, der in unsere umfassendere Klima-Roadmap passt.
Die Ökobilanzen von Polestar zeigen Emissionsverbesserungen bei neueren Fahrzeugmodellen. Welche konkreten Veränderungen haben zu diesen Verbesserungen beigetragen – und wie sehen Sie die Entwicklung dieses Trends bei Ihrer nächsten Fahrzeuggeneration?
Die Emissionsreduzierungen sind größtenteils auf Materialverbesserungen – insbesondere bei Stahl und Aluminium – sowie einen höheren Recyclinganteil und ein effizienteres Design zurückzuführen. Der Schwerpunkt lag auf der Reduzierung produktionsbedingter Emissionen, die den größten Teil des CO2-Fußabdrucks eines Fahrzeugs ausmachen. So konnten wir bereits 25% Emissionen bei unseren Fahrzeugen einsparen.

Sie haben betont, dass Nachhaltigkeit in das Geschäftsmodell eingebettet und nicht nur angehängt werden muss. Wie hat diese Denkweise die internen Entscheidungen und die Unternehmenskultur von Polestar beeinflusst?
Nachhaltigkeit wird bei Polestar nicht als Beiwerk betrachtet – sie ist neben Design und Innovation eine von drei tragenden Säulen. Dieser ganzheitliche Ansatz fordert Teams aller Abteilungen heraus, schafft aber auch Synergien. Er stellt sicher, dass Nachhaltigkeitsaspekte in die Produktentwicklung, Lieferkettenentscheidungen und die strategische Ausrichtung integriert werden.
Polestar hat zu einer stärkeren Zusammenarbeit in der Automobilindustrie aufgerufen, um die Klimaziele zu erreichen. Welche Schritte unternehmen Sie, um gemeinsames Handeln voranzutreiben, und wo sehen Sie die größten Chancen für gemeinsame Fortschritte?
Wir wissen, dass wir das nicht alleine schaffen können. Deshalb rufen wir aktiv zur Zusammenarbeit in der gesamten Automobilindustrie auf. Ein hervorragendes Beispiel ist das Polestar 0 Projekt, bei dem wir Partner aus Wissenschaft, Materialwissenschaft und sogar konkurrierende OEMs einladen, gemeinsam wirklich klimaneutrale Materialien zu entwickeln. Wir alle werden diese Lösungen brauchen – deshalb ist es wichtig, dass wir sie gemeinsam entwickeln.
Um dies zu unterstützen, haben wir das Mission Zero House ins Leben gerufen – eine kollaborative Forschungsplattform, die Innovatoren, Wissenschaftler und Unternehmen zusammenbringt, die bereit sind, zu dieser Mission beizutragen. Es ist nicht nur ein Labor; es ist eine offene Einladung. Uns fehlen noch Partner in Bereichen wie Elektronik, Kunststoffe und Chemie, und das Mission Zero House bietet ihnen eine fantastische Gelegenheit, sich zu engagieren und den Fortschritt zu beschleunigen. Gemeinsamer Fortschritt entsteht durch Transparenz, Offenheit und kollektive Innovation. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und heißen jeden willkommen, der unsere Vision teilt und uns auf diesem Weg begleitet.

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Beschleunigung des Übergangs zu klimaneutraler Mobilität – und wie bindet Polestar seine Community ein, um dieses Verantwortungsbewusstsein zu fördern?
Verbraucherinnen und Verbraucher sind entscheidend für die Beschleunigung des Übergangs zu klimaneutraler Mobilität. Durch transparenten Datenaustausch und offene Kommunikation hoffen wir, das Bewusstsein zu schärfen und Käufer selektiver zu machen. Wir möchten, dass sie kritische Fragen stellen und die Nachfrage nach nachhaltigeren Fahrzeugen fördern – nicht nur bei uns, sondern in der gesamten Branche.
Sie waren zuvor in Nachhaltigkeitspositionen bei IKEA und KappAhl tätig. Wie haben diese Erfahrungen Ihren Führungsstil und Ihren Ansatz, Veränderungen in der Automobilindustrie voranzutreiben, geprägt?
Meine Erfahrungen bei IKEA und KappAhl haben meine Sicht auf Nachhaltigkeit stark geprägt. Bei IKEA habe ich beispielsweise gelernt, Nachhaltigkeit in jeden Geschäftsbereich zu integrieren und zu einem zentralen Wert zu machen. Da ich aus der Modebranche in die Automobilbranche komme, war ich auch sehr positiv überrascht, wie recycelbar ein Auto und auch eine Batterie sind. Theoretisch kann man ein Auto und eine Batterie auseinandernehmen und so viele Komponenten und Materialien extrahieren, die wiederverwendet und recycelt werden können.

Welche neuen Technologien oder Innovationen begeistern Sie in Zukunft am meisten – und was macht sie besonders vielversprechend für die Förderung der Nachhaltigkeitsziele von Polestar?
Mein Antrieb sind Neugier und der Drang, Probleme zu lösen. Nachhaltigkeit entwickelt sich ständig weiter, und ich freue mich darauf, bei Polestar mit leidenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten, die die Klimakrise aktiv angehen. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass größere Batterien besser sein können, wenn sie als Energiespeicher verwendet werden, was alte Annahmen in Frage stellt. Diese Agilitätist der Schlüssel, um die Nachhaltigkeitsziele von Polestar voranzubringen.
Foto/Quelle: Polestar